Hypnose

Was ist das?

Prof. Dr. Dirk Revenstorf aus Tübingen beschreibt Hypnose folgendermaßen:

„Zusammengefasst ist die hypnotische Trance ein veränderter Bewusst­seinszustand mit deutlichen Veränderungen im Körper und im Gehirn, die ihn vom Schlaf und vom Alltags­­bewusstsein unterscheiden. Dieser Zustand ist durch seine physiologischen und kognitiven Aspekte ein ausgezeichnetes Medium, um therapeutische Veränderungen einzuleiten. Dass hypnotische Reaktionen nicht mit Kooperativität und Placebo­effekten zu verwechseln sind, sondern einen eigenen Mechanismus darstellen, ist vielfach gezeigt worden. Hypnose lässt sich gut mit anderen Therapie­methoden kombinieren und in vielen Anwendungen ist sie mit einer Anleitung zur Selbsthypnose verbunden.“

Hypnose - Einblicke und Möglichkeiten

Hypnose als Ritual

Die meisten Verfahren der heutigen Psychotherapie gründen in der Hypnose oder haben in der einen oder anderen Form mit ihr in Berührung gestanden. Aus diesem Grund lässt sich Hypnose mit fast allen Verfahren der Psychotherapie gut verbinden. 

Andere mentale Verarbeitung

Die spezifische Rollenverteilung in der Hypnotherapie fördert bei der Klientin/dem Klienten Vertrauen, ihr/sein Bewusstsein in übersehene oder vergessene Bereiche zu lenken. Jemandem zeitweilig die Kontrolle zu überlassen, Die/der sie verantwortungsvoll übernimmt, erleichtert es der Klientin/dem Klienten mehr noch als im normalen Therapiegespräch, eine kindlich kreative Lernhaltung einzunehmen. Die Klientin/der Klient ist empfänglicher für Suggestionen von der Therapeutin/dem Therapeuten und für Einfälle und Erinnerungen aus ihrem/seinem eigenen Langzeitgedächtnis. Sie/er ist dabei auch ihren/seinen Gefühlen näher, wodurch die therapeutische Erfahrung vertieft wird. Die Empfänglichkeit für Bilder und Metaphern ist erhöht. Die mentale Arbeitsweise ist nicht analysierend, sondern assoziativ.

Hypnotische Trance

Durch die Einleitung einer hypnotischen Trance wird die Aufmerksamkeit in besonderer Weise gebündelt, so dass Erinnerungsbilder oder Zukunftsvorstellungen und innere Bilder von Bewegungsabläufen (Sport) oder von körperlichen Vorgängen (Organheilung) intensiv erlebt werden. Gleichzeitig können störende Reize (Ablenkungen bei Arbeit oder Sport) und Schmerzen leichter ausgeblendet werden. Dadurch entsteht ein subjektiv veränderter Bewusstseinszustand, in dem das Individuum sich einerseits losgelöst von der Umgebung empfinden kann und anderseits besseren Zugang zu seinen Gefühlen und den eigenen Ressourcen hat.

Neurobiologische Grundlagen

Die veränderte Arbeitsweise des Gehirns unter Hypnose lässt sich neurophysiologisch durch vermehrt langsame Hirnwellen und eine Aktivierung von Bereichen der Hirnrinde und des Mittelhirns nachweisen, die für Aufmerksamkeitssteuerung, Wahrnehmung und mentale Entspannung zuständig sind. Im Zustand hypnotischer Trance werden Lern- und Erinnerungsprozesse außerhalb der bewussten Wahrnehmung angesprochen und die bildliche Verarbeitung gefördert. Die imaginierten Bilder gewinnen in Trance innere Realität.

Physiologische Ansprechbarkeit

Bekannt ist der generelle Entspannungseffekt der Hypnose. Auch ihr positiver Einfluss auf die Immunfunktionen konnte vielfach nachgewiesen werden. Das wird in klinischen Studien zur Rückbildung von Herpes und Warzen deutlich und auch bei der Aufrechterhaltung der Immunkompetenz unter Stress. In Laborstudien wurde gezeigt, dass es unter Hypnose zum Anstieg der Konzentration von Leukozyten und anderen Immunparametern kommt. Die unwillkürlichen Reaktionen des Organismus in Trance wie die Handlevitation machen der Klientin/dem Klienten deutlich, dass Veränderungen unabhängig von ihrem/seinem bewussten Denken stattfinden können.

Showhypnose

Wer bei dem Wort Hypnose immer noch an eine Bühnenshow denkt, kennt nur das kommerzialisierte und Effekt-heischende Zerrbild der Hypnose. Sie beruht auf einer unglücklichen Mischung von autoritärem Gehabe und Willfährigkeit. Bei Hypnotherapie (oder Hypnosetherapie) und klinischer Hypnose dagegen geht es darum, aus dem Unbewussten der Klientin/des Klienten Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, die sie/ihn befähigen, auf ihr/sein Leben wieder mehr Einfluss zu nehmen, Schmerzen besser zu bewältigen und seelische Schwierigkeiten lösen zu können. Während bei der Bühnenhypnose der Mensch von einem machtorientierten Hypnotiseur entwürdigt wird, bemüht sich die Psychotherapeutin/der Psychotherapeut, ihrer Klientin/seinem Klienten zu helfen, durch Hypnose ihre/seine eigenen Möglichkeiten besser zu nutzen.

Milton H. Erickson

Der amerikanische Psychiater und Psychologe Dr. med. Milton H. Erickson (1901–1980) gilt international als einer der bedeutendsten und innovativsten Persönlichkeiten im Bereich der Psychotherapie. Er war auch einer der kreativsten Praktiker und Lehrer in klinischer Hypnose und Kurzzeittherapie und hat ganze Erickson-Generationen von Therapeutinnen und Therapeuten beeinflusst. In besonderem Maße hat Erickson hypnotische Techniken neu belebt und sie in vielfältiger Weise für die Psychotherapie und auch für die somatische Medizin nutzbar gemacht. Dabei geht der Ansatz Ericksons über eine bloß technische und mechanische Anwendung bestimmter hypnotischer Verfahren weit hinaus. Vielmehr vertrat er die Ansicht, dass die Therapeutin/der Therapeut der einzigartigen Individualität jeder Patienten/jedes Patienten gerecht werden müsse und daher alle nur möglichen und denkbaren Interventionstechniken in Betracht zu ziehen bzw. anzuwenden habe, wobei er der Hypnose allerdings eine prominente Rolle zuwies. Hypnose ist nach Ansicht Ericksons in besonderer Weise geeignet, die kreativen und schöpferischen Ressourcen eines Menschen zu fördern.

Erickson hat durch seine Gedanken und therapeutischen Vorgehensweisen viele neuere psychotherapeutische Ansätze beeinflusst, z.B. NLP, systemische Familientherapie, Kurzzeittherapie und natürlich die moderne Hypnose. Deren pragmatische Ausrichtung und unbedingte Orientierung an den Ressourcen ihrer Klient*innen (Utilisationsprinzip) ist ohne die beispielgebende Arbeit Ericksons nicht mehr denkbar.

Obwohl Erickson es stets ablehnte, theoretische Modelle zu entwickeln oder gar eine eigene Therapieschule zu gründen, lassen sich aus seinen Ideen, vielen dokumentierten Fallbeispielen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen grundlegende lehr- und lernbare Prinzipien ableiten, die allen psychotherapeutisch Tätigen wertvolle Hilfe sein können und in vielen Fällen die Therapie kürzer und effektiver gestalten können.

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